Volatile Auftragslage, Fachkräftemangel, gereizte Kunden, steigende Insolvenzen: Die Belastungen für Selbstständige sind so hoch wie nie zuvor. Häufig wird die Lösung verzweifelt im Außen gesucht und das nächste Zeitmanagement-Tool getestet. Dabei ist die innere Einstellung viel entscheidender. Hier stehen uns jedoch vielfach blockierende Überzeugungen im Weg.
Die Einsicht, dass es so nicht weitergeht, ist bei vielen Selbstständigen sehr präsent. Und fast immer wurde jede Menge ausprobiert, um diese Situation zu ändern. Neue Tools heruntergeladen, neue Mitarbeitende eingestellt, freie Zeiten geblockt und vieles mehr. Eine wirkliche Erleichterung ist jedoch nie eingetreten.
Wenn es also nicht am Wissen mangelt, woran dann? In solchen Fällen scheitert die Veränderung häufig an blockierenden Überzeugungen.
Endlich mal wieder richtig Urlaub machen – Ist das eigentlich möglich?
Sicher ist Ihnen klar, dass eine 80-Stunden-Woche auf Dauer nicht gesund ist und auch keine wirkliche Erfüllung bringt. Vielleicht plagen Sie auch bereits diverse Stresssymptome, wie ein gestörter Schlaf, Herzrasen, Bluthochdruck und eine kurze Zündschnur.
Sie wissen also sehr genau, dass es Zeit ist, vom Gas zu gehen, sich mehr Freiräume zu schaffen und mehr zu delegieren. Das haben Sie schon alles ausprobiert? Es hat aber nicht funktioniert?
Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass innere Saboteure Ihre Veränderung behindern. Diese kleinen Biester treten häufig in wohlwollender Absicht auf, so dass wir gar nicht erkennen, dass sie uns blockieren. Außerdem agieren sie aus dem Verborgenen, denn sie liegen im Unbewussten.
Diese beiden Aspekte führen dazu, dass der Versuch, etwas zu verändern – wenn überhaupt– nur kurz anhält, obwohl der Wille dazu durchaus da ist.
Ist der Kunde wirklich immer König?
Ein typisches Beispiel für einen solchen inneren Saboteur ist die Haltung „Der Kunde ist König“. Mit dieser Überzeugung ist es schwer, sich Freiräume zu schaffen und besser abzugrenzen, wenn ein wichtiger Kunde Druck macht. In solchen Situationen werfen wir unsere guten Vorsätze, keine Nachtschichten mehr zu machen, manchmal mit schwindelerregender Geschwindigkeit über Bord.
Es kommt uns dann so vor, als wären wir gegenüber Veränderungen resistent. Als würden alle anderen es besser machen als wir. Deswegen verhalten wir uns ruhig und bürden uns immer mehr auf, um nicht als Versager dazustehen.
Ein weiterer, sehr verbreiteter innerer Saboteur lautet „Ohne Fleiß kein Preis“ oder leicht abgewandelt „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Hierhin zeigt sich der bei Selbstständigen weit verbreitete hohe Leistungsanspruch. Selbstständige sind eng mit Ihrem Unternehmen verbunden und fühlen sich deswegen stark verpflichtet. Daraus entsteht eine hohe Neigung zum Perfektionismus und ein Kontrollzwang, die sich im Mikromanagement niederschlagen.
Wirkt einer, beide oder weitere dieser inneren Saboteure, ergibt sich schnell das Gefühl, das Unternehmen steuere den oder die Unternehmerin anstatt umgekehrt. Dann fällt es dem Inhaber oder der Inhaberin schwer, loszulassen und das Unternehmen vertrauensvoll in die Hände des Teams zu legen. In dieser Konstellation ist es tatsächlich fast unmöglich, abzuschalten und zwei Wochen ungestört Urlaub zu machen.
Ein Dilemma! Denn ein neues Tool oder eine neue Technik greift hier zu kurz.
Wie können Sie das also ändern?
Die Antwort lautet: Schritt für Schritt. Denn jede schnelle Lösung ist hier nicht von Dauer. Es geht darum, eine Unternehmensstruktur zu definieren, die unbewusste Überzeugung bewusst und damit sichtbar macht und zu trainieren, anders damit umzugehen.
Der Weg raus aus dem alten Muster ist ein Prozess in vier Schritten:
- Wunschzustand definieren
- Struktur dafür aufbauen
- Hinderliche Glaubenssätze identifizieren und ausschalten
- Regelmäßige Reflexion und Anpassung
1. Wie soll es denn idealerweise sein?
Der erste Schritt, um eine Veränderung anzugehen, ist Klarheit über das Ziel zu finden.
Sie wissen, was Sie nicht mehr wollen. Treten Sie nun einen Schritt zurück und drehen Sie den Gedanken um. Fragen Sie sich, wie genau es anders laufen soll. Was konkret soll sich verändern? Wie wäre ein idealer Zustand?
Der Schritt darf ruhig etwas Zeit in Anspruch nehmen. Schauen Sie sich alles an und nehmen Sie sich insbesondere die Dinge vor, die Sie nerven.
Gehen wir davon aus, Sie möchten Ihr Arbeitspensum auf ein angemessenes Maß bringen und Ihren Stress reduzieren. Dann könnte die Frage nach dem Wunschzustand lauten: Wie sähe meine ideale Arbeitswoche aus?
Legen Sie ganz konkret fest, wie Ihre Woche aussehen soll:
- Wann starten Sie mit der Arbeit?
- Wann wollen Sie Feierabend machen?
- Wie viele Pausen wünschen Sie sich?
- Sieht jeder Tag gleich aus?
- Was ist mit den Wochenenden?
- Wie viel Urlaub wollen Sie im Jahr machen?
2. Die Umgebung anpassen, damit die Veränderung leichter gelingt
Nun geht es darum, eine Struktur oder einen Rahmen zu schaffen, der Sie bei der Veränderung unterstützt.
Ein kleines Beispiel dazu: Wenn Sie sich gesünder ernähren wollen, könnte ein solcher Rahmen bedeutet, dass Sie vorplanen, was Sie in der Woche essen wollen. Außerdem könnten Sie alles Junkfood aus Ihrem Haushalt entfernen, um nicht in Versuchung zu geraten.
Bezogen auf Ihr Unternehmen gilt es zunächst, eine Struktur zu schaffen, die sicherstellt, dass Ihr Team so agiert, wie Sie es sich vorstellen. Dazu gehören Regeln, Vorgaben, Abläufe und Prozess sowie Ihre persönliche Erwartungshaltung. Erst, wenn alle im Unternehmen diesen Rahmen kennen, können sie sich auch dementsprechend verhalten. Dann können Sie anfangen, Vertrauen aufzubauen und sich zu entspannen, weil Sie wissen, die Dinge laufen so, wie Sie es sich vorstellen.
In Bezug auf Ihre persönliche Arbeitsorganisation könnten Sie zudem in Ihrem Kalender Blocker für die Zeiten einstellen, in denen Sie auf keinen Fall arbeiten wollen. Dann könnten Sie sich überlegen, wann Sie Termine anbieten und wann Sie konzentriert arbeiten wollen. Beides können Sie als Platzhalter ebenfalls in den Kalender eintragen. Und Sie könnten Ihre persönlichen Leitplanken definieren. Wie viele arbeitsfreie Wochenenden wollen Sie im Monat mindestens haben? An wie vielen Tagen wollen Sie wirklich pünktlich Feierabend machen? Wie viele Sport-/ Bewegungseinheiten wollen Sie mindestens umsetzen?
Diesen Rahmen vor Augen zu sehen hilft, ihr Verhalten zu steuern und Sie auf Kurs zu halten. Denn Ihnen ist dann sofort bewusst, wenn Sie sich außerhalb Ihres Plans bewegen.
3. Innere Saboteure identifizieren und überlisten
Nun kommen wir zur wirklichen Herausforderung bei der Veränderung, den inneren Saboteuren. Denn eine Verhaltensänderung scheitert nie am Tool.
Sollte Ihnen bei der Planung oben Gedanken in den Kopf geschossen sein, wie „Aber was, wenn, der Kunde das nicht mitmacht?“ oder „Mit meinen Kunden brauche ich das gar nicht erst versuchen!“ oder ganz allgemein „Das geht nicht!“ oder „Schön wär´s, funktioniert aber nicht.“, oder „Wenn ich mich nicht darum kümmere, passiert sowieso nichts“, sind die inneren Saboteure am Werk, die Sie manipulieren.
Diese inneren Saboteure agieren unbewusst und versuchen Ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden.
Aber keine Sorge, Sie können sie loswerden. Es handelt sich um Überzeugungen und Ihre Überzeugungen können Sie ändern.
Gehen Sie dazu wie folgt vor:
Achten Sie darauf, wann Sie Ihren Plan umgehen und nehmen Sie sich dann einen Moment Zeit, um die Situation zu analysieren:
–Was genau ist passiert?
–Woran haben Sie gemerkt, dass Sie ins Wanken geraten? (Hat es sich irgendwo im Körper gezeigt, wie ein beklemmendes Gefühl oder Unruhe?)
–Welche Befürchtung hatten Sie, als Sie von Ihrem Plan abgewichen sind? Was hat Sie abgehalten?
–Ist diese Befürchtung wirklich realistisch?
–Wenn „nein“, wie kann eine stärkende Überzeugung lautet, die Sie in Ihrem Vorhaben unterstützt? (Zum Beispiel: „Ich kann einen guten Service anbieten und gleichzeitig Rücksicht auf meine Bedürfnisse nehmen!“ Oder: „Ich darf auch mal „nein“ sagen und eine Alternative anbieten.“ Oder „Ich habe ein tolles Team, ich vertraue ihnen.“)
Machen Sie sich diese neue Überzeugung täglich bewusst. Hängen Sie irgendwo hin, lesen Sie sie durch oder sagen Sie sich selber laut vor. Nutzen Sie sie als neues Mantra.
Haben Sie etwas Geduld. Es braucht eine Zeit, bis die Überzeugung im Unterbewusstsein angekommen ist. Deswegen können Sie zusätzlich präventiv aktiv werden.
Legen Sie dazu eine Liste an mit all den Gründen an, warum es Ihnen wichtig ist, das System beizubehalten. Besonders wirksam sind emotional aufgeladene Gründe, wie ‚Wieder Zeit für die Familie haben‘, ‚Endlich wieder durchschlafen können‘, ‚Mehr Gelassenheit bekommen‘, ‚Ein wirkliches Wochenende haben‘.
Jedes Mal, wenn von irgendeiner Seite versucht wird, den Plan zu umgehen, holen Sie Ihre Liste raus und stellen Sie sich selbst die Frage, ob Sie bereit sind, den Preis für diese Ausnahme zu zahlen.
Selbstverständlich kann es mal Ausnahmen geben. Achten Sie nur darauf, diese nicht zur Regel zu machen, denn dann ist der Plan gescheitert.
4. Den Fortschritt beobachten und den Plan verfeinern
An dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen. Wir unterliegen bei Verhaltensänderungen dem Denkfehler, dass wir mit den vorhergegangenen Schritten fertig sind. Nach dem Motto: Ist doch jetzt alles klar, go for it.
Dann passiert jedoch das Leben und spätestens in der nächsten Stressphase gerät der Plan ins Wanken oder bricht komplett in sich zusammen.
Das Geheimnis der Veränderung liegt darin, zu verstehen, dass Rückfälle zum Wachstum gehören. Und dies gilt insbesondere, wenn innere Saboteure am Werk sind. Bei einem Rückfall ist es wichtig zu analysieren, was dazu geführt hat. Sind die Faktoren klar, stellt sich die Frage, ob Sie etwas an Ihrem Plan ändern müssen oder ob Sie etwas unternehmen können, um diese Faktoren auszuschalten.
Um die Veränderung zu verstetigen und aus den Rückfällen zu lernen, können Sie wie folgt vorgehen.
Nehmen Sie sich jeden Abend ein paar Minuten zur Selbstreflexion mit den folgenden Fragen:
- Wo habe ich heute im Sinne meiner Veränderung gehandelt?
- Wo ist es mir nicht gut gelungen?
- Was hat zu diesem Rückfall geführt?
- Wie kann ich dies zukünftig umgehen/ abstellen?
Ein Beispiel dazu
Nehmen wir an, ein wichtiger Kunde hat in einem Telefonat um einen Termin gebeten. Sie sind innerlich unter Druck geraten, weil Sie momentan komplett ausgelastet sind, den Kunden jedoch nicht enttäuschen oder verärgern wollten. In der Folge haben Sie einen Termin diese Woche vorgeschlagen, der eigentlich überhaupt nicht passt, weil Sie nun die Vorbereitung für einen anderen wichtigen Termin am Wochenende machen müssen.
Die Analyse ergibt also, dass Sie bei der Anfrage in Stress geraten sind und dann Ihre Bedürfnisse hinter die des Kunden gestellt haben.
Eine Möglichkeit, zukünftig damit umzugehen, könnte sein, sich Zeit zu verschaffen, um nicht aus dem Druck heraus zu handeln. Sie könnten zukünftig zum Beispiel sagen: „Ich prüfe meinen Kalender und schicke Ihnen dann drei Vorschläge.“ Dann können Sie in Ruhe schauen, wie Sie Ihre Terminplanung so vornehmen können, dass Sie einen guten Kompromiss finden, ohne aufs Wochenende ausweichen zu müssen.
FAZIT
Überlastung ergibt sich häufig durch den Anspruch, alles selbst machen zu müssen und der sich daraus ergebenen mangelnden Abgrenzung.
Sollte Ihr Veränderungswunsch nicht an mangelndem Wissen scheitern, sind vermutlich innere Saboteure am Werk.
Legen Sie diesen Saboteuren behutsam, aber konsequent das Handwerk und steuern Sie über eine neue Überzeugung und mit ihrem persönlichen Warum gegen.
Berücksichtigen Sie dabei, dass Rückfälle zur Verhaltensänderung dazu gehören. Analysieren Sie diese und passen Sie gegebenenfalls ihren Plan an.
Und das Allerwichtigste: Bleiben Sie dran!
Zur Homepage der Autorin: Unternehmer-Coaching & Beratung mit Marloes Göke
Passende Artikel:
Merkur Group und der Führungswechsel: Paul Gauselmann im Portrait
Philosophie trifft Spannung: Andreas Bornhäußer über die Verbindung von Wissen, Macht und Krimi