Stefan Schröder lebt mit seiner Familie in einem kleinen Dorf im Sauerland. Beruflich engagiert er sich als Sozialarbeiter an Förderschulen, wo er täglich junge Menschen in ihrer Entwicklung begleitet. Schon als Kind vertiefte er sich stundenlang in Bildbände, als Jugendlicher schickte er voller Begeisterung selbst gefundene Fossilien an Museen, und heute beteiligt er sich an paläontologischen Grabungen im Feld. Nun möchte er seine Faszination für die Urzeit und ihre Lebewesen mit anderen teilen. Aus diesem Grund hat er im Mentoren Verlag ein Buch über die Dinos & Co. veröffentlicht. Im Interview verrät er uns, was die Leser:innen erwarten können.
Zum Buch: Paläo Nerds: Dinosaurier, die Sehnsucht nach Abenteuer und das Erbe der Vergangenheit
Wie erklären Sie sich die ungebrochene Faszination der Menschheit für Dinosaurier und Fossilien?
Stefan Schröder: Der Mensch ist von Natur aus ein Suchender. Er muss seinen Platz in der Welt, im Kosmos und in der Natur stets aufs Neue definieren. Das Wissen um die unendlich langen Zeiträume, die die Erde bereits auf dem Buckel hat, kann uns einerseits erheben, andererseits macht es und demütig. In dieser Ambivalenz liegt meines Erachtens der Reiz der Fossilien und auch der Dinosaurier.
Was hat Ihre persönliche Leidenschaft für die Paläontologie geweckt, und wie hat sie sich zu der intensiven Faszination entwickelt, die Sie in Ihrem Buch beschreiben?
Stefan Schröder: In jeder Kindheit kommt die Phase, in der man das Nest innerlich schon mal probeweise verlässt. Man eignet sich Neues und Spannendes an, erfährt, dass die Welt größer, vielfältiger und bunter, aber auch bedrohlicher und ängstigender ist als bisher. Mir wird es da nicht anders gegangen sein. Ich habe dieses Bedürfnis eben durch Dinosaurier abgedeckt. Sie sind mir erstmals in einem dicken Bildband begegnet, auf einem gigantischen, ausklappbaren Bild namens „The Age Of Reptiles“, das ursprünglich vom Künstler Rudolph Zallinger als Wandbild für ein Museum in Yale erstellt worden war.
Alle Sehnsüchte, die bis dato nur so wortlos in mir herumgewabert waren, ergaben urplötzlich Sinn. So ging es dann weiter.
Ich schaffte mir über die Jahre hunderte von Büchern an, zeichnete Wissenschaftssendungen auf, besuchte Museen, schrieb Fanbriefe an Wissenschaftler, sammelte die ersten Figuren, ging selbst auf Fossiliensuche. Es stellte sich heraus, dass ich mit dieser Leidenschaft anfangs nicht alleine war. Später aber, als andere dann während der Pubertät die für eine Pubertät üblichen Dinge taten, war ich ein ziemlicher Sonderling. Ich stellte das immer heraus, trug Dino-Shirts und schrieb Beiträge für Zeitungen, als „Jurassic Park“ erschien. Später genierte ich mich wiederum, denn das Fieber verließ mich nicht. Irgendwann dachte ich, was soll´s, und zog das Ganze richtig groß auf, als Moderator eines Dino-Spielzeug-Forums, als Grabungshelfer und jetzt, mit 47 Jahren, schließlich als Buchautor.
In Ihrem Buch erwähnen Sie die ‚Paläo-Nerds‘, die sowohl professionell als auch hobbymäßig die Urzeit erkunden. Was zeichnet diese Gruppe von Menschen aus, und wie trägt ihre Begeisterung zur Popkultur und Wissenschaft bei?
Stefan Schröder: Die Gruppe, die ich in Anlehnung an einen amerikanischen Podcast „Paläo-Nerds“ getauft habe – wenngleich wohl nicht jede und jeder von ihnen diesen Begriff für sich so benutzen würde – zeichnet sich dadurch aus, dass sie alle ihren Platz in der Welt über die Erweiterung ihres Wissens zur Erdgeschichte suchen. Ob Geologinnen, Paläontologen, Hobbysammler, Museumsjunkies, Mineralienjägerinnen: Sie sind überdurchschnittlich neugierig, ziemlich beharrlich, denken weiter, tiefer und ganzheitlicher als der Durchschnitt, sind nicht so stark am puren Funktionieren im System und dem ausnutzen des Kapitalismus zum eigenen Vorteil orientiert, kommen mir wirklich sehr zäh vor und halten meistens gut zusammen.
Eine große Vielfalt an Charakteren und Persönlichkeiten tummelt sich hier, auch viele Exoten, aber alle haben ein Ziel: Mehr über die Geschichte unseres Planeten herauszufinden und sich in seiner Historie einzubetten. Nicht zuletzt, um besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Das ist also mehr als purer Eskapismus. Die Wechselwirkungen von Wissenschaft und Popkultur habe ich für das Buch ziemlich genau untersucht. Mir scheint, als brauchen sich beide gegenseitig. Wenn ein Dinosaurier, dessen Schädel ziemlich drachenähnlich war, den Artnamen hogwartsia bekommt und sich anders herum bekannte Rockbands zum Beispiel „T. Rex“ oder „Heavysaurus“ nennen, spricht das für mich Bände.
Was waren für Sie die spannendsten oder überraschendsten Entdeckungen oder Begegnungen während Ihrer Recherche für das Buch?
Stefan Schröder: Spannend und überraschend war für mich die Entdeckung, dass die meisten Beteiligten wirklich sehr kooperativ waren, wie überbordend sie teils von ihrer Passion und ihren Forschungsgegenständen berichteten und wie offen sich ein Großteil der Paläo-Community gezeigt hat. Manche schienen nur darauf gewartet zu haben, dass sie mal jemand „anpiekst“. Auch ist die Wissenschaft offenbar nicht der Elfenbeinturm, als der sie häufig noch wahrgenommen wird. Allen merkte man an, ich breche mir jetzt keinen Zacken aus der Krone, wenn ich diesem Fanboy der Urgeschichte einen Einblick in meinen Alltag gebe.
Die zweite Überraschung bot sich mir, als das Buch erschienen war und ich, wie es oft ist, erst nach dem Druck einige sachliche und formelle Fehler darin entdeckte. Während ich begann, mich selbst dafür zu geißeln, waren ausgerechnet die Profis ziemlich entspannt und echt ermutigend.
Drittens fand ich es überraschend, nein, eher irritierend, wie schubladig unser gesellschaftliches Denken scheinbar oft noch ist. Das Buch steht zwischen den Stühlen. Wie oft wurde ich schon gefragt, ist das jetzt ein Kinderbuch? Ist das jetzt ein Fachbuch? Ein Ratgeber? Eher für Wissenschaftler? Eher für jedermann und –frau? Das zeigt sich auch in der bisher eher ambivalenten Aufnahme des Buches. Die einen feiern es längst als überfälliges „Kultbuch“, die anderen suchen noch nach einer Schublade, und wieder andere zucken halt gleichgültig mit den Schultern.
Weshalb sollten Menschen, die sich bis dato nicht für Dinosaurier oder Wissenschaft generell interessiert haben, dennoch Ihr Buch lesen?
Stefan Schröder: Weil es seltsamerweise eben kein reines Buch über die Dinosaurier und die Urzeit ist. Es ist auch ein ziemlich schräges, selbstironisches und gleichzeitig überaus nachdenkliches Mut-Buch, in dem ich persönliche Stränge, Wissenschaftshistorie und überraschende Begegnungen miteinander verknüpfe. Es soll die Leserinnen auch aufmuntern und ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen und ihren Sehnsüchten zu folgen. Von daher ist es vielleicht sogar politisch brisant.
Große Teile von Wirtschaft und Politik möchten ja im Grunde keine Menschen, die in einer Kultur der Stille ihre eigene Stimme suchen. Sie brauchen eher unzufriedene, allesfressende Konsumenten.
Wenngleich man im Buch sicherlich vieles über die Erdgeschichte erfährt, diente sie mir auch als Trägermedium und Angelpunkt für zahlreiche dahingehende Gedankengänge, frei nach dem Motto „Das Leben findet trotzdem einen Weg“. Jeder Querdenker – im ursprünglichen, unbeschmutzten Sinne des Begriffs – und schräge Vogel, der so etwas nicht anmaßend findet, sich inspirieren lassen möchte und sich vom Konsumismus unserer Zeit noch nicht selbst hat auffressen lassen, wird sich in meinem Buch ganz bestimmt auf die eine oder andere Art wiederfinden.
Zum Buch: Paläo Nerds: Dinosaurier, die Sehnsucht nach Abenteuer und das Erbe der Vergangenheit
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